Führung muss menschlicher, aber nicht weicher werden

In der Öffentlichkeit präsentieren wir uns gerne als gut gelaunt, positiv und voller Tatendrang. Doch in vertrauten Gesprächen begegnet mir häufig ein anderes Bild. Führungskräfte klagen über Schlafstörungen, Erschöpfung, Nacken- und Kopfschmerzen. Klar, Wirtschaft ist im übertragenen Sinne ein Spiel um Leben und Tod. Aber das heißt noch lange nicht, dass erfolgreiches Wirtschaften menschen-unfreundlich sein muss.


Im Corona-Zeitalter wird fleißig darüber spekuliert, wie gut die Welt nach der Krise wird. Es ist beeindruckend, dass ein Virus, dessen Bedrohlichkeit wir nach wie vor noch gar nicht wirklich kennen, ausreicht, um einem ganzen Volk die rosarote Brille aufzusetzen. Es wird von Solidarität geschwärmt. Einem neuen Zeitalter des Miteinanders. Fehlt nur noch ein Wiederaufleben des Spruches „Wir schaffen das!“. Dabei gibt es in deutschen Firmen bereits seit Jahren dringenden Handlungsbedarf.

Der Spiegel titelte: Deutschland ist Frustweltmeister. Denn eine globale Studie hat 80 Millionen Antworten aus Mitarbeiterumfragen ausgewertet. Ergebnis: Jeder Vierte geht demnach in Deutschland unmotiviert ins Büro.

Woran liegt das? Es gibt viele Gründe. Einer ist, dass nach wie vor viele Führungskräfte Macht und Hierarchie missverstehen. Wer eine Führungsposition bekommt, soll sich damit nicht ein schönes Leben machen. Sondern hat Verantwortung für die Menschen, die er führt. Doch Egozentrierung, tote Streitkultur und der Drang, gewinnen zu wollen, lenken den Fokus mancher Führungskraft leider in die falsche Richtung. Führung wird so vom Erfolgs-Wegweiser zur Abkürzung in Richtung Untergang.

Zum Glück verdienen die Mitarbeiter in Deutschland mehr als in vielen anderen Ländern der Erde. Da lässt sich das Büro schon irgendwie aushalten. Ja, das private pro Kopf Geldvermögen ist zwar deutlich gestiegen. Aber wenn wir den Analysen glauben, dümpelt die subjektive Lebenszufriedenheit auf einer Seitwärtsbewegung vor sich hin.

Wer jetzt denkt, Unternehmer oder Führungskraft müsste man sein – dann ist die Welt in Ordnung. Von wegen. Schlafstörungen, Überlastung bis hin zum Dilemma, zwar viel Geld zu verdienen, aber mit dem Job nicht zufrieden zu sein. Außerdem zeigt sich in meinen Coachings: überraschend häufig rauben private Probleme den Anführern wertvolle Energie. Auseinandergelebte Ehen, Affären, Familienstreits, Alkohol- oder Drogensucht bis hin zu Erpressungen aus dem Rotlichtmilieu. Und glauben Sie mir: Man sieht es den Menschen vorher meist nie an. Wir sind eben alle gut im Schauspielern.


Die simple Wahrheit

Das Gute an den geschilderten Problemen ist: sie sind menschenverursacht. Wir haben sie uns selber eingebrockt. Also können wir sie auch selber lösen. Wir sind der Situation nicht hilflos ausgeliefert, wenn sie uns nicht gefällt. Wir müssen die Situation sogar anpacken und verbessern. Denn wir sprechen über das wertvollste, was ein Mensch aufs Spiel setzen kann: unsere Lebenszeit.

Der Haken ist, dass wir in unserer Kultur den Tod meisterhaft verdrängt haben. Wir leben in einer Illusion von Unendlichkeit. Doch der Tod verschwindet nicht, nur weil Sie nicht mehr hinsehen. Im Gegenteil: Er kommt Ihnen jeden Tag, jede Minute, jeden Augenblick ein Stückchen näher.

Wer sich jetzt versucht, in eine gesunde Work-Life-Balance zu retten, hat schon verloren. Denn was bedeutet dieser Begriff? Sie unterscheiden mit ihm zwischen Ihrem Leben und der Arbeit. Heißt: Wenn Sie arbeiten, leben Sie nicht mehr.

Im besten Fall ist Work-Life-Balance also ein netter Versuch, die Lebenszeit während der Arbeit auf Pause zu stellen. Funktioniert nur leider nicht. Denn ob Leben oder Arbeit: Ihre Uhr tickt unaufhörlich.


Der Blick nach innen

Wahrheit tut weh. Deswegen klappt es meist besser, Probleme bei anderen zu diagnostizieren als selber in den Spiegel zu schauen.

Andere erkennen ist weise. Sich selbst erkennen ist Erleuchtung.
— Laotse

Manche Führungskraft traut sich ins Kloster, um in der Zeit des Schweigens, mehr über sich zu erfahren. Die Corona-Zwangspause zeigt: Es geht auch einfacher. Sie können sich diese Momente der Reflektion jeden Tag nehmen. Wenn Sie das wollen. Es bringt viel mehr, jeden Tag ein bisschen achtsam zu sein, als nur einmal im Jahr, während des Klosteraufenthalts. Ich nenne das: Alltags-Achtsamkeit.

Was halten Sie davon, wenn wir die Corona-Situation nutzen, um uns Zeit für den Blick nach innen zu nehmen. Statt darauf zu hoffen, dass die rosarote Zukunft nach Corona von alleine besser wird, übernehmen wir heute bereits Verantwortung und handeln.

Zur Erkenntnis brauchen Sie nur zwei Dinge:

  • Erstens, eine ehrliche Beschreibung Ihres aktuellen Standorts. Welchen Lebensweg haben Sie hinter sich? Wo stehen Sie?

  • Zweitens, eine verlockende Beschreibung Ihres Ziels. Wo wollen Sie hin? Ich nenne das: Horizont.

Schreiben Sie mir, dann sende ich Ihnen eine kurze Anleitung zu, wie Sie Ihren persönlichen Horizont entwickeln können. Wer es ausführlicher will, dem empfehle ich mein Buch.

Wenn Sie also wollen, dass die Wirtschaft sich verändert. Dass die investierte Zeit im Job, keine Verschwendung, sondern Erfüllung ist, dann fangen Sie am besten damit an, sich selbst zu verändern.


Geld regiert die Welt

Was ist das Ziel eines Unternehmens? Machen wir uns nichts vor: natürlich Gewinn maximieren. Das sagt heute nur niemand gerne öffentlich, da es nicht mehr dem Zeitgeist entspricht. Stattdessen hören wir etwas von „Purpose“, Sinn und erfahren, wie sich die Unternehmen einen ökologisch grünen Anstrich verpassen.

Die Trendwende ist gut und richtig. Denn die Corona-Krise ist winzig im Vergleich zu dem, was an Taifun auf uns zurollt: die tödlichen Bedrohungen durch den Klimawandel. Der Klima-Krise können wir nicht begegnen, indem wir einfach alle Zuhause bleiben oder mit Mundschutz hoffen, dass wir verschont bleiben. Die Probleme der Klima-Krise werden schmerzhafter zuschlagen.

Dann reichen nicht nur schöne Worte. Entschlossene Taten jenseits des puren Gewinnstrebens sind gefragt. Am besten jetzt.

Aber haben wir das Diktat der Gewinnmaximierung schon abgelegt? Stellen wir uns einen Vorstandsvorsitzenden einer börsennotierten Gesellschaft vor. Auf der Jahreshauptversammlung erzählt er: „Wir haben unsere Umweltziele voll erreicht und arbeiten klimaneutral. Außerdem glänzen wir durch die höchste Kundenzufriedenheit der Branche mit einem NPS von 9,7. Und auch die Zufriedenheit unserer Mitarbeiter konnten wir deutlich steigern. Nur leider haben wir unser Gewinnziel nicht erreicht und liegen 7,6% hinter Vorjahresniveau.“

Würden dann alle sagen: Super – Die Firma hat in Umweltschutz, Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit investiert? Oder ist der Vorstand angezählt und seine internen Wettbewerber sägen bereits gierig an seinem Stuhl?

Wie sieht es bei den Mitarbeitern aus? Wird der Druck jetzt erhöht, da viel (= die Karriere des Vorstandsvorsitzenden) auf dem Spiel steht? Sorgt die Hierarchie für ein Klima von Angst und Schrecken, damit die Mitarbeiter alles tun, um die finanzielle Notlage so schnell wie möglich zu lösen? Oder vertraut man, dass die Mannschaft alles gegeben hat – die finanziellen Ziele trotzdem nicht geschafft wurden – und es im neuen Jahr mit neuer, gemeinsamer Energie nach vorne geht – neues Spiel, neues Glück?


Wirtschaft nicht mit, sondern für den Menschen

Was gut und richtig ist in einer Gesellschaft, hängt von ihren Werten ab. Und welche Werte einer Gesellschaft wichtig sind, hängt davon ab, welche Werte jedem Einzelnen von uns wichtig sind.

Deswegen beginnt die Veränderung bei Ihnen. Wie wollen Sie zukünftig arbeiten?

Schaffen wir es, uns als Knecht der gewinnmaximierenden Legebatterien zu befreien? Gewinn, Sinn und Nachhaltigkeit müssen kein Widerspruch sein. Sie können Gewinn machen und etwas Sinnvolles zur Gesellschaft beitragen und nachhaltig mit der Natur umgehen.

Doch das schaffen Sie nicht alleine. Dazu brauchen Sie Mitstreiter. Menschen, die ebenfalls in dieser Zukunft leben wollen. Eine Zukunft, in der wir gerne leben wollen. Und in der wir auch (über-)leben können.

Dazu darf Wirtschaft weder die Natur schamlos vergewaltigen noch den Menschen als Leistungsroboter missbrauchen. Wirtschaft muss für und mit den Menschen gestaltet werden. Dazu muss im ersten Schritt die Führung menschlicher werden. Sie darf jedoch in der Sache nicht weich werden. Denn die Probleme der Menschheit sind dringend, und wir brauchen in Unternehmen keinen Spielplatz für Erwachsene, sondern Lösungen und Ergebnisse.

Das neue Credo lautet:
Planet – People – Profit.

Und wer weiß: Vielleicht haben wir so auch wieder mehr Freude daran, ins Büro zu gehen, wenn Geld, Sinn und Nachhaltigkeit auf einmal kein Widerspruch mehr sind.


Im Herbst 2020 erscheint mein neues Buch zum Thema „Führung“. Melden Sie sich in meinem Newsletter an, um rechtzeitig informiert zu werden.

Wenn Sie Ihre Wirkung verstärken wollen, schauen Sie doch mal in meine Seminare Power of Influence oder Leadership Excellence.

Eines noch...

Das Stärkste,
was Sie tun können, ist:
Gegenwart machen!
Für und mit den Menschen.


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