Reden ist noch lange kein Inhalt
In unserem Garten nistet ein Amsel-Paar. Nach ein paar Tagen sind die Vogel-Babies geschlüpft und werden in bahnbrechendem Tempo immer größer. Hin und wieder schaue ich dem bunten Treiben mit dem Fernglas zu. Dabei habe ich etwas Lehrreiches entdeckt:
Die Baby-Vögel sind still.
Nur wenn Papa oder Mama mit Würmern im Nest landen, sind die Schnäbel sperrangelweit offen und es wird Lärm gemacht.
Kaum ist die Beute weggeputzt, ist es wieder: still!
Mehr Ruhe
Wie würde unsere Welt aussehen, wenn wir uns an diesem Verhalten der Amseln orientieren?
Mehr Stille.
Weniger Gelaber.
Mehr inhaltliche Substanz.
Weniger verletzende Verbalattacken — und vor allem weniger empfindliches „Ich fühle mich diskriminiert“-Gequietsche.
Wir wissen es eigentlich
In jeder Anfänger-Verkaufsschulung lernen Sie: weniger reden, mehr zuhören. Was ist eine gute Quote? Wenn Ihr Kunde 75% redet, und Sie nur 25%.
Oft haben wir auch gehört: Der Mensch hat zwei Ohren und nur einen Mund. Also auch hier die Empfehlung: mehr zuhören, weniger reden.
Und dennoch sieht die Praxis völlig anders aus:
Verkäufer quatschen dem Kunden ein Kotelett ans Ohr. Redeanteil des Verkäufers — wenn der Kunde Glück hat — 75%. Wenn er Pech hat, kommt der Kunde gar nicht mehr zu Wort. Sie kennen den Spruch: «Fachidiot schlägt Kunde tot.»
In Besprechungen wird viel geredet. Vor allem um den heißen Brei. Und genauso viel, um das Spiel von Status, Macht und Dominanz zu gewinnen. Es fehlt leider allzu oft an Klartext, Ehrlichkeit und echter Empathie. Auch wenn die Bekundungen der New-Work-Bewegung zumindest öffentlich predigen, dass die Arbeitswelt menschlicher werden muss, haben wir kommunikativ nach wie vor große Baustellen in den Unternehmen.
Privat verkommt manch einer zum emotionalen Mülleimer, bei dem die anderen ihre Sorgen, Geschichten und sonstigen Ballast abwerfen. Prüfen Sie es doch gleich mal: Wie viele Ihrer privaten Kontakte interessieren sich wirklich auch für Ihre Themen und Befindlichkeiten? Heißt: Stellen Ihnen Fragen — und hören Ihnen zu?
Wir wissen es besser und machen es trotzdem falsch.
Klarheit gibt Power
In allen Fällen wird Ihnen helfen, wenn Sie für sich Klarheit finden. Sie brauchen Ihren Horizont: Was ist Ihnen wirklich wichtig? Was wollen Sie bewirken? Welche Menschen wollen Sie in Ihrer Nähe haben? Wollen Sie dem Zeitgeist folgen — oder lieber den Zeitgeist formen?
Ich habe mich entschieden, lieber zu formen als zu folgen. Dazu braucht es den Mut zur Haltung. Und der fordert seinen Preis: nämlich, dass Sie hier und da anecken. Passen Sie dabei auf, dass Sie nicht in eine Schlangengrube fallen. Denn die selbsternannten Moral-Aposteln warten bereits darauf, Sie zu ächten.
Also: Choose your Battles. Machen Sie den Mund dort auf, wo es Ihnen wichtig ist. Und in allen anderen Situationen denken Sie daran: Leben und leben lassen. Nehmen Sie sich Shakespeare zu Herzen: «Ich sage wenig, denke desto mehr.»
Statt Zeit und Energie zu verschwenden, sagen Sie einfach gar nichts — und genießen Sie die Stille.
Mehr dazu!
In meinem Buch geht es um den Mut zur Lebens-Führung. Wie können Sie in einer unsicheren Welt selbstbestimmt bleiben — oder es endlich werden?