Das ABC des Unternehmenssterbens
Führungsfähigkeit zeigt sich nicht, wenn die Konjunktur sowieso jeden auf den Olymp des Erfolgs spült. Sie zeigt sich, wenn es schwierig wird. Manchmal passiert das durch den plötzlichen Wandel der Umstände. Doch viel zu oft manövrieren sich die Unternehmen selbstverschuldet in Probleme. In der Praxis erlebe ich vor allen Dingen drei Verhaltensweisen, die gefährlich werden können: Das ABC des Unternehmenssterbens.
Arroganz
Wenn man sich zu Beginn noch die Fingernägel blutig kratzen muss, um erste Kunden zu gewinnen, sind Demut und Dankbarkeit an der Tagesordnung. Doch mit zunehmendem Erfolg kann genau dieser den Menschen in den Kopf steigen.
Vor einigen Jahren war ich auf der Suche nach einem neuen Auto. Ich war offen, meine Treue zu den Bayern aufzugeben und zum Wettbewerber aus Ingolstadt zu wechseln. Also fahre ich zu einem großen Mehrmarken-Händler und treffe auf eine Baustelle. Es wird umgebaut und modernisiert. Die Halle der Ingolstädter ist leer. Also gehe ich in das Gebäude der noblen Sportwagen. Dort treffe auf einen Verkäufer und spreche ihn an: «Guten Tag. Die Halle nebenan ist leer. Wo finde ich denn die Audis.» Er schaut mich nur verdutzt an und antwortet nach einer Kunstpause herablassend: «Sie sind hier bei Porsche!»
Solche arroganten Begegnungen sind nicht wirklich hilfreich, um neue Kunden zu gewinnen. Ärgerlich für den Hersteller, dass es nicht mal ein Mitarbeiter des eigenen Hauses war, sondern der eines Händlers. Es nutzt das ganze Marketing nichts: Am Ende wird eine Marke im persönlichen Erleben für den Kunden greifbar. Ich bin zwar nach wie vor Porsche-Fan. Aber kein Kunde jenes Autohauses geworden.
Was bedeutet nun Arroganz? Hier ist meine Definition:
Arroganz ist eine Überlegenheitshaltung, die in anmaßender Weise genüsslich ihre (vermeintlich) besseren Einflüsse oder Fähigkeiten zeigt.
Bürokratie
In der Gründungs- und Wachstumsphase eines Unternehmens herrscht ein besonderer Geist. Alle brennen für die Vision. Packen mit Herzblut an. Übernehmen Verantwortung. Jeder kennt jeden. Und es wird zwischen Pizza und Kundenterminen auf kurzem Weg entschieden.
Doch mit zunehmendem Wachstum arbeiten immer mehr Menschen in einem Unternehmen. Struktur muss her. Die Schnittstellen nehmen zu. Und der Abstimmungsbedarf wächst.
Um der zunehmenden Größe gerecht zu werden, werden Regeln eingeführt. Leitplanken und Gummibänder, die dafür sorgen, dass die Menschen nicht zu sehr ausbüchsen.
Es werden KPIs gemessen. Protokolle geführt. Ich erlebte ein großes, international tätiges Unternehmen, in dem die Manager alle Entscheidungen jenseits von 500 Euro absegnen lassen müssen…
Die wuchernde Bürokratie sorgt dafür, dass der Status Quo bestmöglich verwaltet, bestenfalls: optimiert wird. Darunter leidet jedoch die Fähigkeit, sich an externe Veränderungen anzupassen. Oder einfach nur das zu tun, was immer hilft: Kunden zu begeistern.
Hier meine Definition von Bürokratie:
Bürokratie beschreibt ein überwucherndes, autoritäres, schwerfälliges und unflexibles Verwaltungssystem, in dem sich Menschen pedantisch an strenge Vorschriften halten müssen (= Beamtentum).
Selbstgefälligkeit (engl.: Complacency)
Selbstgefälligkeit klingt auf den ersten Blick so ähnlich wie Arroganz. Im Detail ist es jedoch etwas anderes. Bei der Arroganz steht für mich das arrogante Verhalten gegenüber anderen im Vordergrund, um die eigene Überlegenheit zu inszenieren.
Die Selbstgefälligkeit kommt etwas netter daher. Beginnen wir zunächst mit einer Definition:
Selbstgefälligkeit ist eine unbewusste oder uninformierte Selbstzufriedenheit; vor allem in Unkenntnis von tatsächlichen Gefahren oder Mängeln.
Selbstgefälligkeit hat also etwas Naives. Ich hielt mal einen Vortrag bei einer Versicherung. Der Vorstand erzählte mir stolz: «Im Rahmen unserer Digitalisierungsstrategie haben wir unsere Führungskräfte mit iPads ausgestattet.» Ich sah lauter Menschen im Alter von 50+, die wie ein Storch im Salat auf ihren Tablets rumtippten — während draußen im Markt ein gewaltiger Tornado des Umbruchs ihr Geschäftsmodell angreift.
iPads sind keine Digitalisierungsstrategie, sondern Ausdruck von Selbstgefälligkeit: Die Führungskräfte sind zufrieden mit ihrer Position im Mittelfeld des Wettbewerbs. Seit Jahren fehlte jede Ambition, sich wirklich anzustrengen. Irgendwie auch nachvollziehbar: Wer will der schmerzhaften Wahrheit schon ins Gesicht schauen?
Da schläft es sich doch deutlich besser, wenn man sich selbst mit den «richtigen» Geschichten in Sicherheit wähnt und bequem vor sich hinwurschtelt — anstatt die fürs nachhaltige Überleben notwendigen Veränderungen umzusetzen.
Wie sieht es bei Ihnen aus? Wo erkennen Sie das ABC des Unternehmenssterbens in Ihrem Umfeld? Sind es noch apokalyptische Reiter am fernen Horizont — oder tobt bereits der Überlebenskampf und es ist dringend an der Zeit, etwas zu unternehmen?
Was können Sie gegen das ABC des Unternehmenssterbens tun? Die Lösung liegt in guter Führung: Sorgen Sie dafür, dass die richtige Unternehmenskultur in Ihrem Team — und am besten im ganzen Unternehmen herrscht. Der Charakter. Die Antwort auf die Frage: «Welche Verhaltensweisen werden bei uns verstärkt?»
Wie das gelingen kann?
Weitere Inspiration zu moderner Führung finden Sie in meinem Buch «Führung stirbt nicht».