Deutschland braucht Excellenz
In vertrauten Gesprächen mit Leistungsträgern in den Unternehmen höre ich gerade in diesen Tagen immer wieder: “Irgendetwas ist faul in unserem Land. Wenn wir so weiter machen, schafft sich Deutschland ab”. Laut aussprechen tun sie ihre Meinung jedoch nicht.
Was also tun? Ich bin kein Politiker und habe auch keine Ambition, in die Politik zu gehen. Aber ich bin Bürger dieses Landes, habe Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik studiert und Erfahrung in der Mittelstandsfinanzierung, berate seit 2009 Unternehmer und ihre Führungsteams bei den Themen Führung, Generationswechsel und bei schwierigen Veränderungsvorhaben. Aus dieser Perspektive denke ich: Wir sollten so tun, als wäre Deutschland ein Unternehmen!
Unternehmen müssen erfolgreich sein, sonst gehen sie bankrott. Was braucht also das Unternehmen Deutschland? Zuallererst brauchen wir eine Diskussion, was wir als Gesellschaft wirklich wollen.
Wo wollen wir hin?
Jeder Mensch sollte einen Horizont haben; eine Sammlung von Ideen, Wünschen, Zielen, aber auch verrückten Träumen nach dem Motto: "Was wäre, wenn ...". Denn nur, wenn Sie wissen, wohin Sie wollen, können Sie heute den nächsten Schritt in die richtige Richtung setzen. Aufbrechen. Beute machen. Wenn die Richtung nicht klar ist, bleiben Sie am besten sofort stehen. Ein falscher Weg wird nicht richtig, nur weil Sie ihn stur weiterverfolgen oder schneller laufen.
Ob im beruflichen Kontext oder privat, ob Sie einen Sportverein führen oder ein ganzes Land; ja, sogar wenn es um die gesamte Menschheit geht: Die stärkste Frage, die wir uns stellen können, lautet: Wo wollen wir hin?
Genau wie ein Unternehmen braucht auch Deutschland einen Horizont: Wo wollen wir als Land hin?
Doch in den vielen Gesprächen, die ich in meinen Projekten und bei Vorträgen mit Unternehmern und Führungskräften führe, höre ich vor allem eines: Deutschland weiß nicht, wo es hinwill.
Wir brauchen also dringend eine Übereinkunft darüber, welches Zukunftsbild unserer Gesellschaft wir anstreben. Wofür wir als Gemeinschaft stehen. Welche Werte uns wichtig sind. Welche Verhaltensweisen möglich sind und welche sanktioniert oder gar verboten und bestraft werden. Lassen Sie es mich klar formulieren: Wenn diese Bedingungen in einem Unternehmen nicht gegeben sind, ist das Überleben in einem harten Wettbewerbsumfeld gefährdet.
Wettbewerb der Nationen
Das gleiche gilt auch für Deutschland. Es darf nicht sein, dass unser Wertediskurs durch lautstarke Minderheiten dominiert wird. Denn wenn wir es nicht schaffen, ein Gefühl der Zugehörigkeit zu schaffen, in dem sich vor allem auch die Leistungsträger unseres Landes wohlfühlen, werden viele, die es können, im Wettbewerb der Nationen auswandern und ihr Glück in anderen Ländern suchen. Wenn die Top-Leistungsträger abhauen oder auch nur weniger bereit sind, Leistung zu bringen, brechen uns die Steuereinnahmen weg.
Im Jahr 2018 haben die oberen 10 Prozent der Einkommensteuerpflichtigen rund 55 Prozent des Einkommensteueraufkommens beigetragen. Anders formuliert: Wenn die stärksten 10 Prozent der Leistungsträger Deutschland verlassen, verlieren wir über die Hälfte der Einkommensteuer. Zur Einordnung: Die untere Häfte der Einkommensteuerpflichtigen (50 Prozent) trug lediglich 6,4 Prozent des Steueraufkommens bei.
Insofern halte ich es für elementar wichtig, dass wir in Deutschland darüber diskutieren, was uns auszeichnet. Dabei sollten wir uns als weltoffene Wertegemeinschaft verstehen, die mit anderen Völkern friedlich kooperiert und sich gleichsam im sportlichen Wettbewerb befindet.
Denn Wirtschaft ist und bleibt nun mal das: ein Wettbewerb. Am Ende geht es um Ressourcen, Innovationen, Talente und Geld. Die Länder, die in diesem Wettbewerb brillieren, können ihren Bürgern ein Leben in Wohlstand ermöglichen. Alle anderen werden schmerzhafte Probleme erleiden.
Elite. Punkt.
Wenn wir in diesem Wettbewerb bestehen wollen, wird es Zeit, dass wir das bisher Unaussprechliche formulieren: Deutschland muss Elite sein.
Was geht in Ihnen vor, wenn Sie diesen Satz lesen? Für viele Menschen ist Elite etwas Negatives. Aber warum? Was ist schlecht daran, Elite zu sein? Elite bedeutet, dass man zur Gruppe der Besten gehört.
Daran ist nichts Schlimmes. Im Gegenteil: Wir sollten uns darauf einschwören, in allen Bereichen weltweit zur Elite zu gehören. Den unbändigen Willen entwickeln, führend zu sein. In Wissenschaft, Wirtschaft, Bildung, Kultur, Militär, Infrastruktur, Digitalisierung, Medizin … Wir sollten danach streben, die besten Kindergärtner, Lehrer, Polizisten, Ärzte, Pfleger, Busfahrer, Bäcker, Hausmeister, Forscher, Angestellte, Azubis, Führungskräfte, Unternehmer, und was es sonst noch alles an Berufsbildern gibt, in unserem Land zu haben. Die besten Politiker der Welt zu haben, wäre auch nicht schlecht. Egal, was wir machen, wir sollten danach streben, zu den weltweit Besten zu gehören.
Es geht nicht um die engstirnige Diskussion „die Elite da oben“ vs. den „Rest der Bevölkerung“. Es geht um uns alle; um „Elite-Deutschland“ vs. den „Rest der Welt“. Und zwar nicht in einem negativen Gegeneinander. Sondern im Sinne des olympischen Geistes: sportlicher Wettbewerb zwischen den Ländern in allen möglichen Disziplinen. Wir müssen überall so gut sein, dass Deutschland sich seinen Platz auf dem Siegertreppchen verdient hat.
Excellenz statt Mittelmaß
Dazu müssen wir an unserer inneren Haltung etwas ändern. Massiv ändern. Denn es hat sich Bequemlichkeit breit gemacht. Wir sind viel zu schnell zufrieden, wenn wir Qualität abliefern. Qualität ist der neue Durchschnitt geworden. Doch Qualität ist Mittelmaß. Damit stechen wir im globalen Wettbewerb nicht mehr heraus. Und das ist gefährlich. Denn mit diesem niedrigen Anspruch an uns selbst werden wir die Lebensqualität und den Wohlstand, auf dem sich dieses Mittelmaßdenken erst ausbreiten konnte, nicht halten können.
Wir müssen einen Gang höher schalten. Nach Excellenz streben. Excellenz entsteht, wenn wir nach dem Besten streben. Damit meine ich nicht, der Illusion zu erliegen, perfekt zu sein. Das sind wir nicht. Wir sind Menschen und damit fehlbar. Doch wenn wir den Anspruch haben, Neues zu wagen. Gemeinsam um das beste Argument und die beste Idee zu streiten. Aus Fehlern zu lernen. Um so nach dem Besten zu streben. Dann haben wir eine Chance, uns eine gute Zukunft im Hier und Jetzt zu erarbeiten.
Die Zukunft gehört denen, die etwas tun. Präziser: die das Richtige tun. Und richtig ist, was uns näher an unseren Horizont bringt. Wenn wir als Mehrheit der Leistungsträger dieser Meinung sind, müssen wir unsere Politiker auffordern, mutig zu sein. Mutig, indem sie die Rahmenbedingungen so setzen, dass unsere Zukunft geprägt ist von Wohlstand, Sicherheit und Freiheit. Damit wir wieder voller Stolz auf unser Land blicken. Stolz, weil wir weltweit führend sind und mit unserer Leistung überzeugen.
Übrigens: Ich schreibe das Wort Excellenz mit Absicht “falsch”; also mit c statt mit z. Denn das Wort Exzellenz wird in so vielen Kontexten verwendet, aber nur mit Mittelmaß gelebt. Durch die Schreibweise Excellenz will ich ihm wieder den Anspruch und die Bedeutung geben, die das Wort verdient — damit wir diesem Anspruch auch gerecht werden und nicht nur leere Worte produzieren.
Mehr dazu?
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