Weil Ihr Bett ein Gedächtnis hat

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Wo haben Sie geheiratet? Wo waren Sie am 11. September? Wo feierten Sie einen großen Projekterfolg – oder bekamen eine Standpauke von Ihrem Chef? Wo fand Ihr erster Kuss statt?

Ich bin mir sicher, Sie haben schlagartig die Bilder zu einer dieser Situationen vor Augen. Denn: Manche Dinge bleiben ewig im Gedächtnis. Und vor allem der Ort, an dem sie stattgefunden haben. 

 

(K)ein Ort für heikle Familienthemen

Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen ist, aber bei uns zuhause ist er Esstisch einer der wenigen Orte, an dem wir uns als Familie regelmäßig und vollständig treffen. Und genau deswegen ist der Esstisch eine Art „heiliger“ Ort für mich. Heilig im doppelten Sinne: Hier haben Smartphones oder andere Dinge, die ablenken, beim Essen nichts zu suchen. Und: Hier diskutieren wir keine heiklen Themen.

Natürlich ist es irgendwie praktisch, wenn doch schon alle beim Abendessen zusammensitzen, gleich auch die Fünf in Mathe oder die vulgäre Ausdrucksweise des Teenagers zu thematisieren. Schlechte Noten und sonstige Vergehen haben am Esstisch jedoch nichts zu suchen. Sonst brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn die Teenager irgendwann ihre Teller nehmen und zum Essen lieber in ihr Zimmer verschwinden.

Ein befreundeter Geschäftsführer beherzigte den Gedanken und erzählte mir: „Für solche Gespräche zitiere ich meinen Sohn nun immer aufs Sofa. Vielleicht ist das der Grund, warum er seit Neustem vom Sessel aus Fernsehen schaut …“

 

Überraschungsangriff im Büro

Vielleicht scheint das private Esstisch-Thema für Sie übertrieben. Doch stellen Sie sich nun bitte eine Situation aus Ihrem Arbeitsalltag vor: Ihr Chef platzt unangekündigt in Ihr Büro und macht Sie rund. Oder er ruft Sie in sein Büro und kritisiert Sie dort aufs Schärfste oder bespricht mit Ihnen ein heikles Thema im Meetingraum. Was glauben Sie, wie Sie sich fühlen, wenn Ihr Chef das nächste Mal in Ihr Büro kommt, Sie zu sich ruft oder Sie in den Meetingraum bestellt? 

Ob bewusst oder unbewusst, Sie rufen sich die alten Erlebnisse ins Gedächtnis und befürchten automatisch, dass es jetzt wieder Ärger geben könnte. Das verursacht Stress. Die Orte haben ein Gedächtnis und durch dieses Verhalten Ihres Chefs ist Ihr Büro auf einmal ein negativ behafteter Ort geworden. Dabei soll es doch ein kreativer Raum sein, in dem Sie gerne arbeiten und gute Leistung bringen. 

Deshalb verkünde ich heikle Botschaften immer an einem Ort, an dem sich meine Mitarbeiter nicht regelmäßig aufhalten. Meist wähle ich den Besprechungsraum. Damit sie wissen, worum es geht, kündige ich das Thema vorher an. Denn wer seine Mitarbeiter im Dunkeln lässt, missbraucht unnötig seine Macht. Doch meine Mitarbeiter sollen keine Angst haben, sondern sich sicher fühlen, um ihr volles Potenzial zu entfalten.

 

Die Regeln des Ehebetts

Ich möchte nicht, dass meine heiligen Orte negativ belegt werden und ich möchte auch nicht die positiven Orte anderer Menschen mit einem schlechten Erlebnis belasten. Meine Frau und ich haben zuhause deswegen einen zweiten „heiligen“ Ort definiert: unser Ehebett. Es ist ausdrücklich nur für Dinge gedacht, die Spaß machen oder der Erholung dienen :-)

Früher gab es in den Ehen den sogenannten „Pillow-Talk“ (engl. pillow = Kissen): Vor dem Schlafen sprachen Mann und Frau über den Tag. Dieses Gespräch wurde zunehmend ersetzt durch Fernseher, Laptops und Smartphones. Doch eine Ehe braucht Austausch. Zwar haben wir keinen Fernseher im Schlafzimmer, aber Laptop und Smartphone haben auch bei uns Einzug erhalten. Um das Ehebett trotzdem heilig zu halten, berücksichtigen meine Frau und ich zwei Regeln: 

Im Bett werden keine kritischen Themen besprochen – auch wenn es manchmal schwerfällt. Zweitens: Egal, was wir tun – wir beenden jeden Tag, indem wir abends im Bett gemeinsam den Satz „Gott schütze unsere Ehe“ sagen. Das machen wir sogar, wenn ich auf Reisen bin, dann eben via Telefon.

 

Rituale festigen

Sie können mich jetzt als zu weich oder als unverbesserlichen Romantiker abstempeln. Ich möchte mich auch gar nicht als Bilderbuch-Ehemann darstellen. Aber ich kümmere mich jeden Tag intensiv um meine Kunden -- und mir fällt bei bestem Willen kein Grund ein, warum ich mich nicht auch jeden Tag intensiv um meine Ehe kümmern sollte. Deshalb halte ich es auch für richtig, dafür zu sorgen, dass meiner Frau und mir positive Orte im Gedächtnis bleiben.

So besuche ich an jedem Hochzeitstag mit meiner Frau den Ort unserer Trauung und ich wiederhole meine Frage: „Willst Du meine Frau sein?“ Sie sagte mir anfangs, dass sie das eigentlich nicht braucht – aber es gefällt ihr. Und so geben wir uns durch Rituale Kraft und fokussieren unsere Aufmerksamkeit auf das, was uns wirklich wichtig ist – an unseren heiligen Orten. 

Welche Orte sind Ihre heiligen Orte? Vielleicht achten Sie in Zukunft mehr darauf, wie Sie sich dort verhalten …