Wenn der Wegweiser keinen Weg mehr weist

Keine Zeit zum Lesen? Dann einfach den Podcast hören:

 

Davonrennen, alles hinter sich lassen und nochmal ganz von vorne starten. Wie oft haben Sie sich das schon einmal vorgestellt? Wenn es im Job überhaupt nicht mehr läuft. Oder jegliche Leidenschaft in der Beziehung verloren ging und Sie einfach nur noch wegwollen. Dann beherrscht Sie ein Gefühl: Hauptsache weg hier! 

Emotional macht das vielleicht Sinn. Doch nehmen wir mal etwas Abstand: wäre das Leben wirklich auf einmal besser, wenn Sie einfach abhauen und einen Neustart wagen? 

 

Eine neue Liebe, ist wie ein neues Leben

Mit diesem Song-Titel hat Jürgen Marcus sowas von recht. Und aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen sagen, dass es auch für den Beruf gilt. Dieses Gefühl, wenn Sie endlich diesen Schritt, diesen Cut, wagen: es ist pure Euphorie. Als ich damals noch in der Finanzbranche arbeitete, war ich irgendwann richtig unzufrieden. Rund zwei Jahre notierte ich mir, was mich stört, was sich ändern muss. Manchmal nehme ich dieses Heft zur Hand und bin immer wieder fassungslos, dass ich mich zwei Jahre lang mit meiner Unzufriedenheit gequält habe, bis ich endlich eine Entscheidung traf: „Ich muss da raus.“ 

Die Entscheidung, endlich die Situation zu verlassen, fühlte sich fast an wie „frisch verliebt“. Ich spürte Euphorie. Zunächst jedenfalls … 

 

Die Stille, die Sie erdrückt

Denn als ich keine Beschäftigung mehr hatte, war da einfach ... nichts mehr. Ich verlor meinen sinnvollen Horizont, meine berufliche Richtung. Ich hatte plötzlich kein Büro mehr, in das ich fahren konnte, keinen Terminkalender, der von anderen gefüllt wurde. Da war auf einmal nur noch Stille. 

Aus heutiger Sicht weiß ich: Wegrennen bringt Sie nicht weiter, wenn Sie keine Ahnung haben, wohin Sie eigentlich rennen wollen. 

 

Die Hoffnung stirbt zuerst

Verstehen Sie mich bitte richtig: wenn im Leben etwas ganz gravierend schiefläuft und Sie so Ihre persönliche Integrität verletzen, ist es in meinen Augen jedermanns Pflicht, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen und etwas zu ändern. Lebenszeit ist schließlich begrenzt – auch für mich, wie mir meine Tumorerkrankung am eigenen Leib deutlich gemacht hat.

Der Moment, in dem Sie also einen quälenden Job, eine nicht-erfüllende Beziehung oder ein sinnloses Projekt beenden, ist ohne Frage sinnvoll. Doch die Hoffnung, dass mit diesem Ende automatisch alles gut sein wird, verfliegt schnell. Denn eine falsche Richtung aufzugeben, bedeutet eben auch, genau wissen zu müssen, wo die neue Richtung hin verlaufen soll. Eine banale Erkenntnis, mit der ich damals nicht gerechnet habe.

 

Der kaputte Wegweiser

Ich stand damals plötzlich vor meinem inneren Wegweiser und hatte keinen blassen Schimmer mehr, wo ich nun hinlaufen sollte. Er zeigte mir keinen Weg an. Unweigerlich war es dann an der Zeit, mir endlich die entscheidenden Fragen zu stellen. Ich konnte mich nicht mehr vor mir selbst verstecken, wenn ich wieder eine Richtung haben wollte. Die Entscheidung „weg von etwas“ fällt eben leicht, ist aber leider nur die Hälfte der Miete. Viel entscheidender ist die Antwort auf die Frage: „hin zu was denn?“.

Was kann ich richtig gut? Womit kann ich anderen einen Nutzen stiften? Worin will ich der Beste werden, weil ich darauf einfach Lust habe? Bei mir kristallisierte sich nach und nach ein klares Bild heraus. Ich wollte mich nicht mehr verbiegen, merkwürdige Kompromisse machen oder mich mit den „falschen“ Themen und Menschen beschäftigen. Während meiner Zeit in der Finanzbranche hatte ich erlebt, wie kräftezehrend es ist, wenn man genau das alles falsch macht. Ich spielte jahrelang nach Regeln, die nicht meinen Werten entsprachen. Das wollte ich nicht mehr. Ich wollte etwas Sinnvolles tun. Etwas, mit dem ich für andere einen Nutzen stiften konnte.

Ich hatte so viele Menschen im Berufsleben kennengelernt, die in einem finanziellen Käfig gefangen waren: erfolgreich, aber unglücklich. Es geht nicht darum, glücklich oder finanziell erfolgreich zu sein. Die Kunst ist, beides zu erreichen. Und so bin ich heute dankbar, Menschen dabei zu helfen, einen sinnvollen Weg, eine neue Richtung für sich zu finden. Wirkungsvoll zu werden und Ergebnisse zu erzielen, für die es sich lohnt, sich anzustrengen. So wie ich es damals machen musste. 

Und diese neue Richtung zu haben, war alle Mühe wert!