Servant Leadership — Wo sind nur die Führungspersönlichkeiten geblieben?

Servant Leadership — Wo sind nur die Führungspersönlichkeiten geblieben?

Je größer das Unternehmen, desto anfälliger ist es für Modewellen der Management-Methoden. Aktuell verbreitet sich zunehmend das „Servant Leadership“ – also so etwas wie dienende Führung. Es ist nachvollziehbar, dass niemand einem egozentrierten Macht-Menschen folgen will. Aber unterwürfige Diener als Führungskraft sind die völlig falsche Antwort auf die schwelende Führungskrise.


Wer bei Amazon nach „Führung“ sucht, bekommt mehr als 50.000 Bücher angeboten. Google liefert über 11 Mio. Suchergebnisse für „Leadership training“. Man könnte also meinen, zum Thema Führung ist alles gesagt und es müsste reibungslos laufen. Doch warum zeigt die Praxis, dass es ständig Probleme mit der Führung gibt?

Führungskrise

Nur weil sich jemand auf eine Führungsposition bewirbt, heißt das noch lange nicht, dass die Person auch führen kann. Doch genau diesen Trugschluss scheinen viele Personalentscheider täglich zu fällen. Und so gelangen immer wieder Menschen in Führungspositionen, obwohl sie eigentlich gar nicht führen können.

In Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs ist das vielleicht noch erträglich. Denn es wird jeder Heiopei (rheinländisch: Depp) mit der Konjunktur auf den Olymp gespült.

Doch wenn ein Unternehmen in Schwierigkeiten gerät, ändert sich der Wind. Es wird rauer. Probleme tauchen auf. Gute Führung ist gefragt. Nun rächt es sich, wenn wir statt starken Anführern schwache Anführer haben. Dabei zeigt sich die Schwäche in zwei Ausprägungen.

Erstens, die entscheidungsschwachen “Fahnen im Wind”. Hier ist die Schwäche offensichtlich. Denn es kann nur der Mensch Entscheidungen treffen, der auch bereit ist, die volle Verantwortung zu tragen. Wer hier zu zaghaft ist und in Sorge um mögliche Fehlentscheidungen die Konsequenzen auf die eigene Karriere ständig im Hinterkopf herum trägt, hat offensichtlich nicht das Zeug zum Führen. Drücken wir die Daumen, dass dieses Team oder diese Firma einen inoffiziellen Anführer hat, der – auch wenn nicht in der obersten Position – informell die Geschicke führt.

Die zweite Art von Führungsschwäche finden wir bei egozentrischen Machtmenschen. Sie erscheinen zwar auf den ersten Blick stark, da sie das Spiel der Dominanz meisterhaft beherrschen. Häufig sind sie kommunikativ gut geschult, so dass sie durch verbale Blendgranaten sich ihren Weg durch die Unternehmenshierarchie bahnen. Doch faktisch sind diese Typen der Hannibal Lecter im Konferenzraum. Manchmal braucht es ausreichend Geduld oder einfach nur ein trainiertes Auge, um den Teufel im Schafspelz zu entdecken.

Beide Arten von Führungsschwäche sind für das Überleben eines Unternehmens gefährlich. Denn sie sorgen im besten Fall für unnötige Probleme. Und im Schlimmsten Fall für ernsthafte Bedrohungen oder gar den Untergang (siehe z.B. Wirecard).

Herr und Diener

Die beiden Führungsschwächen werden nun jedoch noch durch eine dritte Ausprägung ergänzt: Servant Leadership.

Es scheint den ein oder anderen Manager zu geben, der das Gewicht der Verantwortung im Job nur schwer ertragen kann. Manche flüchten dann gerne zu einer Domina, bei der sie sich unterwerfen können. Endlich frei: Keine Verantwortung, keine Entscheidungen mehr. Im Spiel von Herr(in) und Diener sind die Fronten klar geregelt.

Beim Servant Leadership scheinen einige Manager ihre Sehnsucht nach Unterwerfung nun auch im Büroalltag ausleben zu wollen. Gab es früher die hierarchie-dominanten Führungskräfte, bei denen Befehl und Gehorsam das Mittel der Wahl war. Heißt es nun: Du musst Deinen Mitarbeitern dienen.

Doch wer dient, muckt nicht auf. Beginnt keinen Konflikt. Sondern macht das, was der Master will.

Dabei ist die „dunkle“ Seite der Führung die absolute Pflicht eines jeden Anführers: Der Mut, auch unbequeme Entscheidungen zu treffen. Sich gegen die Meinungen von Kollegen durchsetzen, wenn es – trotz Diskussion – der richtige Weg fürs Unternehmen ist. Verstehen, dass Hierarchie nicht per se schlecht ist, sondern die Voraussetzung für Ordnung und Harmonie.

Wenn Ihr Selbstverständnis als Anführer ist, Sie müssten sich wie ein Diener verhalten, wollen Sie dann vielleicht diese unangenehmen Seiten der Führung vermeiden?

Persönliche Interessen vor Verantwortung für das Gemeinwohl

Vielleicht geschieht dieses Verweichlichen von Führung auch aus Eigennutz der Führungskräfte. Denn viele sind bereits jetzt überfordert. Die Arbeit – präziser: die toxische Arbeitskultur, in der sie sich befinden – macht sie krank. Sie klagen über Rücken- und Nackenschmerzen. Probleme beim Ein- und Durchschlafen. Panikattacken. Sie können das Gewicht der Verantwortung nicht mehr tragen. Den Druck nicht aushalten. Hinter der souveränen Fassade lauert ein Gefühl der Überforderung.

Und so leben wir aktuell in einer Zeit, in der wir die Verantwortung von Führungskräften anfangen, aufzuweichen. Beim Shared Leadership gibt es zum Beispiel nicht mehr nur eine Führungskraft, sondern zwei Menschen teilen sich die Position. Die Mitarbeiter haben also nicht einen Chef, sondern zwei. Solche Führungskräfte wollen mehr „Work-Life-Balance“ nach dem Motto: Teilzeit sorgt für Freizeit. Doch dafür steigt der Abstimmungsaufwand. Und warten wir mal ab, bis es zu ersten richtigen Problemen oder Fehlentscheidungen kommt. Wer übernimmt dann die Verantwortung?

Selbst Vorstände fangen an, in diesen Ruf nach dem Schlaraffenland in der Führungsetage einzustimmen. Die Initiative Stay on Board fordert eine Pause für Vorstände, wenn sie sich um Baby, Eltern oder sonstige private Themen kümmern wollen. Bis zu 6 Monate soll ein Vorstand sein Mandat – und damit auch jegliche Verantwortung und Haftung – auf Pause stellen können. Wenn die privaten Themen erledigt sind, darf die Person selbstverständlich wieder in Amt und Würden treten. Selbstredend, dass hier Papa Staat und Mama Gesetz angerufen werden, um durch Ver- und Gebote für die entsprechende Lösung zu sorgen.

Wer als Anführer Gesetze fordert, die helfen, seine privaten Belange über die der Gruppe zu stellen, die er anführt, ist kein wirkungsvoller Anführer. Im Gegenteil: er offenbahrt Führungsschwäche und gesteht „Ich kann meinen Leuten nicht vertrauen“. Ein starker Anführer braucht dagegen kein Gesetz, sondern sorgt durch sein Verhalten dafür, dass seine Leute ihm auch in privaten Krisenzeiten den Rücken freihalten. Nicht mehr Gesetze sind nötig. Sondern bessere Führung.

Führung ist eine Frage der inneren Haltung

Was zeichnet also einen Anführer aus? Die Theorie bietet dazu unzählige Führungsstile an. Transaktional. Patriarchalisch. Kooperativ. Hierarchisch. Laissez-faire. Aber ist es wirklich notwendig, immer wieder neue Führungsmodelle und -stile zu entwickeln?

Wie haben unsere Vorfahren das überhaupt geschafft? In den rund 300.000 Jahren Menschheitsgeschichte ging es deutlich intensiver um Leben und Tod als heute. So haben sich unsere Lebensumstände zum Glück gebessert. Jedoch scheint sich unsere Führungsfähigkeit dafür verschlechtert zu haben.

Führung ist im Wesentlichen eine Frage Ihrer Haltung – und keine Frage von Methoden und Techniken. Als Anführer führen Sie Menschen – und keine Zahlen und Messgrößen. Und wenn es darum geht, Menschen zu führen, dann sollten Sie sich auch wie ein Anführer verhalten. Und das beginnt mit souveräner Selbstführung.

Kein Mensch will einem Weichei folgen. Natürlich auch keinem Egomanen. Und erst recht keinem Diener.

Wenn es also kein Servant Leadership braucht – was denn dann?

Ich formuliere ich mal drastisch: Seien Sie einfach kein Arschloch. Führen Sie auf Augenhöhe. Hart in der Sache. Fair zum Menschen. Vergessen Sie Position und Titel. Streben Sie nach natürlicher Autorität. Die können Sie nicht bestimmen. Die müssen Sie sich verdienen.

Und wenn Sie wissen wollen, wie das geht, empfehle ich Ihnen mein neues Buch Führung stirbt nicht!. Darin finden Sie unter anderem Kapitel zum „Feind im inneren Lager“ und die fünf Fragen zu „Haben Sie das Zeug zum Führen?“.

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Führung stirbt nicht. Warum Mut und Entschlossenheit das Überleben der Unternehmen sichern.


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5 Menschen. 3 Tage. 1 Mission.

Was zeichnet einen modernen, starken Anführer aus?