Wer Sicherheit will, muss Risiken eingehen

Die meisten geben es nicht zu: aber viele Menschen lassen sich durch ihre Angst leiten. Ob beruflich oder privat: Angst beeinflusst Ihre Gedanken und Ihre Handlungen – und damit auch, wie Sie sich fühlen. Ein riskanter Weg, der in einer Sackgasse endet.

 

Ich habe es selbst oft genug erlebt – und beobachte es in meinen Coachings regelmäßig: wer Sicherheit will, muss Risiken eingehen. Das gilt in allen Lebensbereichen. Ich erzähle Ihnen drei Geschichten und bin gespannt, wie Ihre Haltung zu meiner These ist.

 

Eheglück

Als ich damals das Herz meiner heutigen Frau erobert habe, war die leichte Aufgabe erfüllt. Die eigentliche Herausforderung begann danach: ein Leben lang glücklich verliebt zu bleiben. Und hier stellte ich mich – sagen wir mal positiv formuliert – ungeschickt an.

Als Mann gibt man das nicht gerne zu. Aber tief in meinem Herzen sehnte ich mich nach Sicherheit. Wer will schon gerne emotional verletzt werden. Das Problem war, dass ich mich damals mit solchen Themen nicht wirklich beschäftigt habe. Selbstreflektion war ein Fremdwort. Das einzige, was zählte, waren Business, Erfolg und der abgedroschene Spruch „Zahlen, Daten, Fakten“. Eine Haltung, die ich teuer bezahlen musste...

Denn unbewusst übernahm meine Sehnsucht nach emotionaler Sicherheit die Kontrolle über mein Verhalten. Sie suchte sich den einfachsten Weg zur Sicherheit, indem sie eine Schutzmauer um mein Herz baute. Heißt konkret: ich ließ mich nicht 100%-ig auf die Beziehung zu meiner Frau ein. Zeigte wenn, dann nur andeutungsweise Gefühle. Und fuhr sozusagen mit emotionaler Handbremse.

Das ist für mich aus heutiger Sicht nachvollziehbar. Wenn das Herz nicht verletzt werden will, schützt es sich eben. 

Ähnliches erlebe ich bei jedem dritten Unternehmer, den ich coache, und auch im privaten Freundeskreis. Ein Freund traf sich mit einer neuen Internet-Bekanntschaft. Es lief aber nicht so wirklich rund. Ich fragte ihn, was sie sich denn per SMS schreiben. Er zeigte mir den Chat-Verlauf.

 

Ich stutzte und fragte ihn: „Warum schreibst Du ihr nicht, dass Du sie vermisst?“

Seine prompte Antwort: „Auf keinen Fall.“

Ich: „Warum denn nicht?“

Er: „Das ist zu offen. Wenn sie dann nicht antwortet, stehe ich blöd da.“

Aus den beiden ist natürlich nichts geworden. Seine Erwartungshaltung „Die Frau ist sowieso die Falsche“ wurde sozusagen bestätigt. Da es mit den beiden noch gar nicht richtig losgegangen war, war der Preis ein kleiner.

Bei mir war die Folge meines Sicherheits-Strebens gravierender, denn ich habe dadurch fast meine Ehe verloren. Es nutzt einfach nichts, wenn man seine Gefühle und Emotionen hinter einem Staudamm zurückhält. Denn dann weiß der Partner nicht, wo er dran ist. Das Verhalten wirkt vielleicht zögerlich. Oder unsicher. Und sorgt auf jeden Fall für Irritationen, Angst und Konflikte. Der Weg zu wahrer Liebe geht in die andere Richtung: mit Offenheit, Verletzlichkeit und Unsicherheit.

 

Den Krebs besiegt

Mit Mitte 20 wurde bei mir Schilddrüsen-Krebs diagnostiziert. Damals war ich auf einem beruflichen Höhenflug in der Finanzbranche unterwegs. Die Diagnose Krebs zerstörte mein verblendetes Gefühl der Unsterblichkeit.

Damals war ich ein Kontroll-Mensch – und bin es heute immer noch. Zumindest ist es mir lieber, einen Plan zu haben und Stellschrauben zu kennen, mit denen ich eine Situation oder ein Ergebnis beeinflussen kann. Doch heute gehe ich gelassener damit um, dass eben nicht alles kontrollierbar ist. Denn ich erhielt eine heftige Lektion. Und zwar auf dem OP-Tisch.

Die Behandlung meines Tumors bearbeitete ich strukturiert wie ein Projekt. So akribisch, genau und engagiert hatte ich bis dato noch nicht gearbeitet. Ich ging davon aus, dass ich durch diese Kontrolle Sicherheit bekomme.

Dann kam der Tag der OP. Auf die Beruhigungstablette hatte ich verzichtet, so dass ich noch klar bei Verstand war. Das Risiko der Operation war, dass ich meine Stimme verlieren könnte. Also murmelte ich zum Anästhesisten: „Passen Sie auf meine Stimme auf!“ Doch er antwortete nur ruhig: „Herr Holzer, jetzt ist es Zeit, uns zu vertrauen.“ und leitete das Betäubungsmittel ein...

Ich musste mich in diesem Moment einfach führen lassen und die Kontrolle abgeben. Mich also „verletzlich“ geben und die Unsicherheit gehen.

 

Erst säen, dann ernten

Ich begleitete mal eine Unternehmerin dabei, ihr Unternehmen auf die nächste Ebene zu entwickeln. Ihre Firma war in einer kritischen Phase: zu klein, um einen Durchbruch zu erzielen. Und zu wenig Mittel, um die notwendigen Investitionen zu tätigen. Was also tun?

Die Arbeit potenzierte sich – und zwar auf ihrem Schreibtisch. In der Gründungsphase war sie der Treiber. Ihre Haltung „Der Laden läuft wegen mir“ hat dafür gesorgt, dass es nach wenigen Jahren bereits richtig gut lief. Aber eben noch nicht gut genug. Und ihre Haltung legte sich nun wie eine Schlinge um den Hals. Vom Treiber des Wachstums ist sie zur Bremse geworden. Es war zu viel. Sie kam nicht mehr hinterher.

Die Lösung: neue Mitarbeiter einstellen. Doch dazu fehlte das Geld. Wir diskutierten diese Situation intensiv. Am Ende war ihr klar: sie hatte Angst. Angst davor, zu investieren, ein Risiko einzugehen, das sich am Ende nicht bezahlt machen würde.

Sie sehnte sich nach einem Gefühl von Sicherheit. Damit verband sie ein erfolgreiches Unternehmen, in dem sie nicht der Flaschenhals ist, sondern gute Mitarbeiter die Arbeit machen. Und sie erkannte, dass sie für diese Sicherheit zunächst einmal in die Unsicherheit muss. Ohne das Risiko, Geld in neue Mitarbeiter zu investieren, würde sie diese Sicherheit nie erreichen.

Und so hat sie ein Darlehen aufgenommen. Drei neue, gute und damit auch teure Mitarbeiter eingestellt. Und schaut heute mit einem stolzen Schmunzeln auf diese „gute alte“ und lehrreiche Zeit zurück.

 

Der Widerspruch der Sicherheit

Wer also Sicherheit will, muss in die Unsicherheit gehen. Es ist wie ein Paradox, also ein Widerspruch in sich. Doch nur, wenn Sie etwas im Leben wagen, wird sich auf Dauer Ihre Situation verbessern.

Dazu braucht es hin und wieder auch Mut. Mut den Mund aufzumachen und ins Tun zu kommen. Pläne schmieden und träumen reicht nicht. Sie müssen es auch umsetzen. Und vielleicht hilft Ihnen dabei noch ein Gedanke: oft ist es gar nicht der Schritt in die Unsicherheit. Sondern es ist nur eine Ungewissheit, die Sie zurückhält. Doch sie brauchen nur loszulaufen – und Sie werden sehen: der Weg wird klar, wenn Sie ihn gehen!

 


Passend zum Artikel finden Sie hier ein Video aus meiner YouTube Serie #CappuccinoFriday. Jeden Freitag erscheint eine neue Folge, in der ich ein Thema für Sie auf den Punkt bringe. Schauen Sie doch mal rein und abonnieren Sie den Kanal.

Warum machen wir uns Sorgen? - Wie gehe ich erfolgreich mit Sorgen um? - Wie gehe ich konstruktiv mit der Zukunft um? Wir leben in Zeiten des schnellen und scharfen Wandels. nachvollziehbar, dass sich viele Menschen (zumindest hinter vorgehaltener Hand) Sorgen machen. Doch Sorgen sind ein schlechter Ratgeber.